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Das Kolosseum der Klicks: Ein Schauspiel der digitalen Verdammnis

  • Euphemia van Dame
  • 21. Juli
  • 4 Min. Lesezeit

Willkommen im digitalen Zirkus, wo Menschen wie Gladiatoren um Likes, Klicks und Saves kämpfen und ihre Würde auf dem Altar der Reichweite opfern. Die Großen glänzen mit ihren polierten Fassaden, die Kleinen betteln um Krümel Aufmerksamkeit, und die mit echten Gedanken? Ignoriert, vom Algorithmus in die Dunkelheit verbannt. Dies ist kein Social Media mehr, es ist ein Kolosseum, in dem die Masse nach Drama, Banalität und Vulgärem schreit. Und niemand weiß, wer hinter den Masken steckt. Acht Minuten, um die Absurdität unserer digitalen Existenz zu sezieren.


In den VIP-Logen des Internets thronen die Influencer, bereit, alles für einen Post zu tun. Alles heißt: von Klippen springen für ein Selfie, in Unterwäsche tanzen, während die Kinder im Hintergrund brüllen, oder „ehrliche“ Tränenausbrüche inszenieren, dirigiert von einem Team aus Stylisten und PR-Beratern. „Ich habe mich selbst gefunden“, schluchzen sie, während der Algorithmus applaudiert. Authentizität? Ein leeres Buzzword, so hohl wie ihre Versprechen.


Der Algorithmus liebt Drama und Banalität. Also liefern sie: Videos, in denen Eiswasser über Köpfe gekippt wird, „Pranks“, die Fremde demütigen, oder Challenges, bei denen sich Menschen mit Lebensmitteln bewerfen. Das ist kein Content, das ist ein Schlachtfeld, wo die Schamlosesten die Krone tragen.


Dann gibt es die Kleinen, die mit 47 Followern (12 davon Bots) von Reichweite träumen. Sie posten Sonnenuntergänge und Avocado Toasts, liken und kommentieren verzweifelt die Posts der Großen. „Sei aktiv!“, predigen die Gurus. „Liket, kommentiert, und der Algorithmus wird euch sehen!“ Spoiler: Er tut’s nicht. Die Kleinen bleiben unsichtbar, ihre „Wow, so inspirierend!“-Kommentare sind Schreie ins Leere, während die Großen immer heller strahlen. Der Algorithmus ist ein Kaiser, der nur die Sieger sieht.


Und dann die, die etwas zu sagen haben, über Politik, Kunst, die Welt. Ihre Posts sind ehrlich, durchdacht, aber sie ertrinken im Lärm. Ein Text über Welthunger? 12 Likes. Ein Video von jemandem, der sich mit Ketchup übergießt? Millionen Views. Der Algorithmus haßt Substanz; sie ist langweilig, bringt keine Klicks. Diese Denker sind die Aussätzigen des Kolosseums, ihre Stimmen übertönt von Bots, Trollen und Katzenvideos. Sie kämpfen weiter, aber niemand hört zu.


Und dann, oh Wunder, kommt der Moment: Der Post geht viral. Hunderte, vielleicht Tausende Likes prasseln ein, die Kommentare explodieren mit „Wow!“ und „Du bist so stark!“. Für einen Augenblick fühlt es sich an wie Triumph, der digitale Applaus hallt durch die Arena. Doch dann? Stille. Die Benachrichtigungen verebben, der Feed scrollt weiter, und was bleibt, ist ein gähnendes Nichts.

Die Herzchen, die du mit einem halben Nervenzusammenbruch erkauft hast, lösen sich in Luft auf. Kein Like der Welt füllt die Leere, die bleibt, wenn die Klicks verstummen.

Du starrst auf die Zahlen, zählst sie wie ein Geizhals seine Münzen, aber sie bedeuten nichts. Der Algorithmus hat dich kurz gehätschelt, nur um dich wieder fallen zu lassen. Du hast alles gegeben, deine Zeit, deine Würde, vielleicht sogar einen Hauch deiner Seele, und wofür?

Für 15 Sekunden Ruhm, die schneller vergehen als ein Werbebanner. Die Leere danach ist der wahre Preis: ein nagendes Gefühl, daß all das Posieren, Weinen und Tanzen nichts bewirkt hat, außer dich noch tiefer in die Maschinerie des Kolosseums zu ziehen.

Und der schlimmste Part, du machst weiter, jetzt sogar mit noch mehr Antrieb. Jetzt postest du nicht mehr nur, du kalkulierst. Du studierst Engagement Zeiten wie heilige Schriften. Und noch obendrauf du veränderst dein Gesicht, deinen Ton und deine Existenz, um in das neueste Trendformat zu passen. Du machst dir selbst vor, es wäre Strategie.

Aber in Wirklichkeit hungerst du nach einem Beweis, daß du immer noch existierst. Und so tut es jeder andere auch. Es gibt keine Grenzen mehr. Und das ist der traurigste Fakt an allem.


Das Schlimmste? Niemand weiß, was echt ist. Hinter jedem Account könnte ein PR-Team, ein gelangweilter Teenager oder ein Bot aus einer Klickfarm stecken. „Du bist so inspirierend!“ gekauft für 5 Cent pro Kommentar. Die Follower? Gemietet. Die Tränen? Vielleicht Zwiebeln, vielleicht Schauspielkunst. Alles ist ein Theater, in dem die Spieler unsichtbar bleiben. Die Inhalte werden banaler, vulgärer, dümmer, ein Tanzvideo, ein sinnloser „Poll“, ein flaches Zitat vor einem Sonnenuntergang. Das ist, was die Masse will, oder was der Algorithmus ihr vorsetzt. Und wir klatschen, während die Menschheit in einem Strudel aus Kitsch und Krawall versinkt.


Was bleibt, ist die Frage: Was ist hier noch echt? Nichts. Das Kolosseum der Klicks hat uns zu Schauspielern gemacht, die für einen Moment Ruhm ihre Seele verkaufen. Die Großen inszenieren Blockbuster, die Kleinen betteln, die Denker schreien ins Leere. Der Algorithmus lacht, die Masse jubelt, und die Menschheit schaut zu, wie ihre Würde in einem Sturm aus Herzchen untergeht.

Was ist, wenn das alles nur ein riesiger Trick und eine Vorstellung ist?


Ein riesiger, kuratierter Spielplatz, der uns mit Scrollen, gegenseitigem Folgen und Vergleichen beschäftigen soll, sodaß wir nicht sehen, was sich in der realen Welt abspielt? Was wäre, wenn die großen Konten nie echt waren? Nur Skripte mit Anhängern, die uns dazu bringen sollen, uns zu bemühen. Was wäre, wenn es bei all dem nicht um Verbindung ginge, sondern darum, uns gerade so zu beschäftigen, daß wir uns nie fragen, warum? Vielleicht ist das Beängstigende nicht, daß alles gefälscht ist. Es ist, daß niemand daran denkt, es zu hinterfragen.

 

Also, klatscht weiter. Liket, kommentiert, erniedrigt euch. Vielleicht kriegt ihr ein paar Klicks. Vielleicht werdet ihr für 15 Sekunden berühmt. Aber wenn die Likes verblassen und die Leere einsetzt, fragt euch: Wenn alles nur Schauspiel ist, was bleibt dann von uns? Ganz ehrlich… nicht viel. Willkommen im Kolosseum. Der Eintritt ist frei, die Rechnung kommt später.


Das Kolosseum im Zwielicht: menschenleer, leuchtend, surreal. Ein Symbol für das Spektakel, das wir heute Leben nennen und für den Preis, den wir zahlen, um gesehen zu werden.
Das Kolosseum im Zwielicht: menschenleer, leuchtend, surreal. Ein Symbol für das Spektakel, das wir heute Leben nennen und für den Preis, den wir zahlen, um gesehen zu werden.

 
 
 

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